| Zusammenfassung: | Spätestens seit dem langen 19. Jahrhundert hatten sich Wirtschaft, Politik und Gesellschaft grundlegend verändert. Die bisherige Weltinterpretation des Katholizismus geriet in Anschlussschwierigkeiten. Zwar war der Katholizismus durch einen dezidierten Antiliberalismus, Antisozialismus und Antiprotestantismus geeint; doch problematisierten seine Eliten die neuartige kapitalistische Wirtschaftsweise, die sich zunehmend auch in seinen Konfessionsgebieten ausbreitete, nicht einheitlich. Er zersplitterte sich in konfessionsinterne Richtungen mit unterschiedlichen Denkmodellen, die mit mehr oder weniger Erfolg um Anerkennung der kirchlichen Autoritäten (Papst, Bischöfe) konkurrierten. Der Beitrag skizziert ausgewählte Aspekte des Verhältnisses von Katholizismus und Wirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Dabei setzt er einen Schwerpunkt auf die Formation und Transformation der – in der NS-Zeit zerschlagenen – katholischen Arbeiterschaft und einer Arbeiterpolitik, die den Ausbau des deutschen Wohlfahrtsstaats mit seinen Sozialversicherungen und seinem Wohlfahrtssektor, der auch die subsidiäre Partizipation der Wohlfahrtspflege der katholischen Caritas eröffnete, unterstützen und eine darüber institutionell gezähmte Marktwirtschaft anerkennen sollte. Während die fortwirkende Subsidiaritätspolitik auf katholische – klerikale – Einflüsse seit der Zwischenkriegszeit zurückgeht, ist die unter der Kanzlerschaft des Katholiken Konrad Adenauer erfolgte Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg protestantischen Einflüssen zu verdanken. Mehr oder weniger arrangierten sich schließlich die führenden Akteure des Sozialkatholizismus mit ihr, obwohl aus seinen – inzwischen auch innerhalb der Kirche und der theologischen Disziplinen – weitgehend marginalisierten und fragmentierten Kreisen bis heute immer wieder Kritik am Kapitalismus und seinen Folgen in der Wohlstandsgesellschaft aufflammt.
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