Literaturwissenschaft und Mediengeschichte. Kritische Überlegungen eines Mediävisten
Dass im Mittelalter Dichtungen, vor allem volkssprachliche Dichtungen, zum großen Teil laut vorgetragen worden sind, ist Handbuchwissen. Demgegenüber wird wie selbstverständlich angenommen, dass die neuzeitliche Dichtung auf stumme Lektüre hin angelegt sei. Diese Kontrastierung von mittelalterlicher...
Veröffentlicht in: | Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur. - Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 1976. - 34(2009), 1 vom: Okt., Seite 1-48 |
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1. Verfasser: | |
Format: | Aufsatz |
Veröffentlicht: |
2009
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Zugriff auf das übergeordnete Werk: | Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur |
Zusammenfassung: | Dass im Mittelalter Dichtungen, vor allem volkssprachliche Dichtungen, zum großen Teil laut vorgetragen worden sind, ist Handbuchwissen. Demgegenüber wird wie selbstverständlich angenommen, dass die neuzeitliche Dichtung auf stumme Lektüre hin angelegt sei. Diese Kontrastierung von mittelalterlicher und neuzeitlicher Literaturrezeption verdankt sich verbreiteten Vorstellungen über (angebliche) Auswirkungen der Erfindung des Buchdrucks. In der vorliegenden Studie wird der Versuch unternommen, Mediengeschichte nicht als ein Nacheinander von medialen Bedingungen zu begreifen, sondern als eine Ausdifferenzierung der Funktionen von mündlicher und schriftlicher Literaturrezeption. Die Neuzeit kennt nicht nur stilles und individuelles Lesen und Literalität, sondern ist gekennzeichnet durch eine Vielfalt mündlicher Literaturvermittlung. Möglicherweise kann sogar die Etablierung eines gesonderten ästhetischen Textbereichs ›Dichtung‹ im 18./19. Jahrhundert durch die spezifische mediale (stimmgestützte) Rezeption erklärt werden. It is general knowledge that vernacular poetry was mainly presented orally in the Middle Ages. In contrast, there is a general assumption that modern age poetry was intended for silent reading. This contrasting of Medieval and modern age literary reception is founded on widespread concepts of the effects of the invention of printing. In this study, media history is not understood as a sequence of media pre-conditions, but as a differentiation of the functions of oral and written literary reception. The modern age not only knows quiet and individual reading and literality, but is also characterised by diverse oral literary consumption. The establishment of ‘poetry’ as a separate aesthetic text field in the 18th/19th centuries might even be explained by this specific medial (voice-supported) reception. |
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Beschreibung: | no copyright information available |
ISSN: | 0340-4528 |
DOI: | 10.1515/iasl.2009.002 |